Sexualität und Verhütung in der Perimenopause
25. DMG-Jahrestagung adressiert hohen Beratungsbedarf
Wechseljahresbeschwerden in all ihren Facetten sind ein Dauerthema in der Behandlung von Frauen vor und nach der Menopause. Die Deutsche Menopause Gesellschaft e. V. bietet deshalb jährlich mit ihrer Jahrestagung Informationen zu neuen Forschungsergebnissen und neuen Ansätzen für die Prävention, Diagnostik und Behandlung. Die Tatsache, dass die mittlerweile 25. Jahrestagung vom 12. bis 13. November 2021 wegen der Corona-Pandemie wieder als Online-Veranstaltung stattfand, tat der Qualität der Inhalte und dem intensiven kollegialen Austausch der Referent*innen und Teilnehmer*innen keinen Abbruch.
Ein wichtiger Schwerpunkt der Tagung war die Frage, wie es in dieser Lebensphase um das Thema Sexualität steht und wie Frauen verhüten sollten. Der Beratungsbedarf ist groß, auch wenn viele Patientinnen zögern, diese Themen mit ihren Gynäkolog*innen aktiv anzusprechen. Das individuell gefühlte und das chronologische Alter klaffen in unserer Gesellschaft immer weiter auseinander. Die Folge: Das gefühlte Alter differiert schon heute um bis zu 15 Jahre von dem tatsächlichen Alter1. Dieser Mega-Trend befördert auch die Bedeutung einer aktiven und erfüllten Sexualität über Altersgrenzen hinaus. So widerlegt z. B. eine bundesweite, repräsentative Befragung2 bei über 500 Frauen im Alter zwischen 50 und 70 Jahren eindrucksvoll die weit verbreitete Ansicht, dass das sexuelle Verlangen mit Beginn der hormonellen Umstellung deutlich abnimmt. Auch zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr wünschten sich die befragten Frauen durchschnittlich mehrmals im Monat Sex. Dementsprechend wichtig bleibt das Thema Verhütung, auch wenn die Menopause im Anzug ist.
Unter der Überschrift „Sexualität 50+“ bot die Tagung deshalb einen Workshop an, der bewusst die intensive Diskussion zum Ziel hatte. Im Rahmen eines Mittagssymposiums unter Vorsitz von Prof. Dr. med. Thomas Römer (Geburtshilfliche-Gyn. Klinik, Evang. Klinikum Köln Weyertal) und Dr. med. Katrin Schaudig (Praxis für Gynäkologische Endokrinologie am Gynaekologicum in Hamburg) stellte Prof. Dr. med. Inka Wiegratz (Kinderwunsch & Hormonzentrum Frankfurt) die Frage „Kontrazeption in der Perimenopause – wer, was, wie lange?“ in den Mittelpunkt ihres Vortrags.
Kontrazeption und Menopause? Das, was zunächst wie ein Widerspruch klingt, sei es aber nicht, so Prof. Dr. med. Inka Wiegratz (Frankfurt/Main). Denn obwohl die Fertilität von Frauen in der Perimenopause schon deutlich vermindert ist, kommt es trotzdem noch zu zahlreichen Schwangerschaften. Statistiken zeigen sogar, dass die Anzahl der Geburten in der Altersgruppe 45+ deutlich höher ist als bei jungen Frauen und Mädchen unter 183. Dieses Verhältnis spiegelt sich auch in der Zahl der Schwangerschaftsabbrüche wider. Statistiken weisen auch in den Altersklasse 45+ und 50+ noch eine signifikante Zahl von Abtreibungen aus4. In beiden Altersgruppen dürfte der Anteil unerwünschter Schwangerschaften groß sein. Im Gegensatz zu diesen Zahlen ist das Thema Verhütung bei jungen Mädchen in der Öffentlichkeit und in der gynäkologischen Beratung sehr viel präsenter als bei Frauen in der Perimenopause.
Dabei ist die Verhütung im fortgeschrittenen Alter sehr wichtig. „Wird die Schwangerschaft ausgetragen“, so Prof. Wiegratz, „ist sie mit einem deutlich höheren Risiko für Mutter und Kind verbunden“. Neben Präeklampsien oder postpartalen Hämorrhagien ist auch das Thromboserisiko durch gleich zwei Faktoren – Alter und Schwangerschaft – erhöht. „Deshalb brauchen auch perimenopausale Frauen eine zuverlässige Verhütung und müssen in dieser Richtung entsprechend beraten werden“, folgerte Prof. Wiegratz in ihrem Vortrag.
Welche Kriterien muss eine Verhütungsmethode bei Patientinnen in der Perimenopause aber neben der kontrazeptiven Sicherheit noch erfüllen. „Keine kontrazeptive Methode ist allein durch das Alter der Frau kontraindiziert“, so Prof. Wiegratz. Allerdings ist es bei der Beratung sehr wichtig, zu bedenken, dass mit zunehmendem Alter der Patientinnen in der Regel die Anzahl und Ausprägung von Venenerkrankungen und damit das Risiko für thromboembolische Ereignisse steigt. Es fallen zusätzlich Risikofaktoren ins Gewicht, die mit dem persönlichen Lebenswandel einhergehen, allen voran Übergewicht, das ebenfalls mit dem Alter zunimmt5, und Rauchen.
Wie bedeutsam es ist, diese Risikofaktoren in der Beratung zu thematisieren, zeigt auch die S3-Richtlinie Hormonelle Empfängnisverhütung6, die die zweite Referentin des Mittagssymposiums, Prof. Dr. med. Edelgard Lindhoff-Last, CCB Gefäß Centrum, Frankfurt, erläuterte. Sie bot in ihrem Vortrag „Das Blut – wann läuft’s, wann stockt’s?“ wichtige Hintergrundinformationen zu verschiedenen genetisch bedingten und erworbenen Thrombose-Risiken. Zusätzlich ordnete sie den unterschiedlichen Risikofaktoren empfehlenswerte Verhütungsmethoden zu. „Frauen, die Kontraindikationen für die Einnahme von Kombinationspräparaten (KOK) aufweisen – und zu denen zählen auch Vaginalring und kontrazeptives Pflaster – können in den meisten Fällen Gestagen-Monopräparate einnehmen“, so Prof. Lindhoff-Last. Falls nach einem Wechsel vom KOK nach Gestagen-Mono klimakterische Beschwerden auftreten, könne z. B. eine transdermale Hormonersatztherapie ergänzt werden.
Allerdings werden bisherige Gestagen-Monopräparate von Patientinnen häufig aufgrund des unregelmäßigen Blutungsmusters kritisch gesehen. Bei dem seit 2021 neu verfügbaren Drospirenon-only Präparat Slinda®, das zyklisch eingenommen wird (24 + 4), stellt sich dagegen ein für die Patientinnen sehr zufriedenstellendes Blutungsmuster ein, so Prof. Wiegratz. Ungeplante Blutungen nehmen nach einigen Zyklen deutlich ab7. Gleichzeitig sei die kontrazeptive Sicherheit sehr hoch (PI 0,73) und auch bei adipösen Frauen gegeben8. Damit kann die Drospirenon only-Pille gut auch bei älteren und sogar übergewichtigen Frauen in der Perimenopause eingesetzt werden.
Eine Beendigung der Kontrazeption wird laut Prof. Wiegratz bei einem Alter der Patientin bis 50 Jahre nach zwei Jahren Amenorrhoe empfohlen, ab 50 Jahren kann die Kontrazeption schon nach einem Jahr Amenorrhoe beendet werden.